Der alte Baum

Der alte Baum

Der Baum – ich kenne ihn aus Kindertagen –
will jedes Jahr aufs Neue Früchte tragen,
im Winter trägt er einen langen Schal.
Er schmückt sich gern mit seiner Wipfelmütze –
als Spiegel dient ihm eine Regenpfütze –
als wollt‘ er ausgeh’n in sein Stamm-Lokal.

Er zählt schon lang nicht mehr die Jahresringe
denkt gern zurück an all die schönen Dinge,
die harte Schale schützt den weichen Kern.
Wenn Liebespaare mal in seinem Schatten sitzen,
ein Herz mit Namen in die Rinde ritzen,
dann juckt ihn das, und trotzdem hat er’s gern.

Wenn starke Stürme durch die Blätter blasen,
so träumt er von den Nornen und den Asen,
und von so manchen sagenhaften Mythen.
Doch muss er in dem regen Blättertreiben
mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben,
treibt auch die Fantasie oft bunte Blüten.

Und hatte jemand mal an seinem Ast gesägt,
der Wind die lose Blättersammlung weggefegt,
durch Worte einmal jemand ihn verletzt,
dann stellte er sich auf die eig’nen Haxen,
ist manchmal über sich hinausgewachsen,
hat Allem noch die Krone aufgesetzt.

Er brach sich aus der Krone keinen Zacken,
wenn’s hieß „Das Übel bei der Wurzel packen“,
doch selten spart die Axt den Zimmermann.
Zog aus dem Sumpf sich an den eig’nen Haaren
und musste dabei nur Geduld bewahren,
schon sah er wieder Licht im dunklen Tann.

So nimm ein Beispiel Dir an diesem alten Baum
und halte die Gefühle immer gut im Zaum.
Zu viele Worte schaden, besser schweig!
Und wenn Du glaubst, in Deinem Leben steckt der Wurm,
so überstehst Du doch den allerschwersten Sturm
und kommst schon bald auf einen grünen Zweig.

Über Wolfgang

Ich bin Wolfgang. Mehr nicht.
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5 Antworten zu Der alte Baum

  1. ahora schreibt:

    diese Gelassenheit !!!

    Liebe Grüße
    Barbara

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  2. bruni kantz schreibt:

    Am Saum
    der Endlichkeit
    Frau Norne webt,
    während Wolfgangs
    Baum besteht.

    Er sah die Zeiten,
    die Vögeln gleich
    vorüber zogen,
    seufzte tief,

    besann auf seine
    Wurzeln sich
    und fühlte,

    wie ihn kraftvoll
    grün immer wieder
    Hoffnung rief.

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  3. Wolfgang schreibt:

    Liebe Barbara, genau das ist er, gelassen.

    Oft sind wir auf der Suche nach dem Gral,
    doch wandern wir – so scheint’s – im finst’ren Tal
    und seh’n den Wald vor lauter Bäumen nicht.
    Wir tasten uns entlang an dunklen Wänden –
    wenn wir doch endlich einen Schalter fänden,
    dann machten wir am Tunnelende Licht…;-)

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  4. Wolfgang schreibt:

    Liebe Bruni.

    Sehr gut kannst Du in seinen Blättern lesen.
    Du kennst dich aus mit sagenhaften Wesen,
    bist nach dem Urlaub endlich wieder hier.
    So schöne Worte hast du wieder mal gefunden,
    hast manche Träume sehr geschickt verbunden,
    und dafür dank‘ ich Dir!

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  5. bruni kantz schreibt:

    Manche Träume ähneln sich so sehr,
    drum ist das WorteFinden
    nicht sehr schwer …,
    mein lieber Wolfgang

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